Die Anreise
Ich sitze jetzt im Zug zum Abflughafen.
Die Ellbogen gestützt auf meinen sorgsam
gepackten Rennrucksack neben mir, so fahre ich dem entgegen was da
kommt.
Er ist mein Begleiter. Ein stummer, ein treuer. Wortlos aber zuverlässig.
Ein Reiter, der sich leicht zu machen versuchen wird. Gelbschwarz.
Mager.
Zu uns leuchtet die fränkische Sonne kraftvoll und farbig übers Land.
Für mich? Irgendwie schon. Sie strahlt mir tief in die Augen.
Die Büsche und Sträucher lassen sich regungslos wärmen und erwarten
geduldig den Frühling. Und ich fahre der trockenen spröden Hitze
entgegen. Voll innerer Ruhe und Zuversicht. Ich vertraue mir und meinem
Körper. Was auch kommen mag, ich werde es zuende bringen.
Warum ich wohl so etwas unternehme? Ob ich
jemand etwas beweisen müsse?
Oder mir selbst? - Anfangs war ich mir selbst nicht bewusst, was mich zu
diesem Extrem-Event zieht. Doch langsam wurde mir klar was es war. Nicht
der Ehrgeiz. Ein alter Traum aus meiner Jugend war der Auslöser, dass ich
vor länger als einem Jahr vor dem Stand auf der Messe stehen blieb und
das Video verfolgte. Irgendwas regte sich damals in meinem Bauch. Immer
schon wollte ich die Wüste sehen. Und Wüste war für mich
gleichbedeutend mit der Sahara. Natürlich hatte ich wirklich nicht daran
gedacht, dass ich einmal dort tagelang rennen würde.
Doch warum nicht? So habe mich entschieden.
Ich bin unterwegs und mir nicht richtig
bewusst. Dort werde ich alleine sein. Alleine beim Laufen. Und alleine das
Ziel schaffen. Doch viele Freunde werden auf dem Weg dabei sein. Soviel
weiß ich schon jetzt. Und während dem Laufen will ich alles versuchen zu
erfassen und aufzunehmen. Besonders das Licht. Bewusst und körperlos,
aufmerksam und beobachtend. So will ich sein. Reisend durch die Sahara.
Wüste. Was heißt eigentlich "Sahara"?, kommt mir in den Sinn.
Endlich kommen wir in Ouarzazate an. Es war
ein problemloser Flug. Am Sternenhimmel sehe ich keine Anzeichen von der
Besonderheit des Kommenden. Was mag wohl kommen? Ich ziehe die Augenbrauen
hoch und denke dabei sofort unweigerlich "Insha Allah". Ich
warte geduldig und bin noch müder als heute Morgen. Verlorene Blicke in
der Warteschlange. Die Passkontrolle im etwas heruntergekommenen kahlen
Flughafen könnte etwas zügiger voran gehen. Für uns ist es fast 3:00
Uhr morgens bis das Gepäck langsam auf dem kleinen Band ankommt.
17 Grad zeigt das Flughafenthermometer.
Der Tag vor dem
Start
Ich bin im Wüstencamp genannt
"Biwak".
Ich lasse das Frühstück, warte lieber bis
die kalte Nacht weicht. Dann krabble ich in den Tag. "Hallo großer
Sandspielplatz", fällt mich morgendliche Ironie an. Axel, längst
vom Essenszelt zurück grinst mich an. Michael fragt wie es mir geht. Wir
sinnieren eine Weile über wie das wohl morgen werden mag mit dem Sand und
dieser mittlerweile unerträglichen Hitze.
Jetzt warten wir mittags im Schatten der
schwarzen Zelte aus Säcken auf die Kontrolle unserer Pflicht-Ausrüstung.
Keine Wolken, nur wenig Wind. Ab und zu taucht eine unaufdringlich
fragende TV-Kamera auf. Irgendwann sind nach Startnummern aufgerufen
endlich Markus, Michael, Axel und ich dran.
Wie viel wiegt jeder Rucksack?
Genau geprüft wird das Essen. Wo sind all die vorgeschriebenen Dinge wie
Signalspiegel, Messer, Desinfektionsmittel oder die Taschenlampe mit
Ersatzbatterie? Dann erhalten wir das graue Road Book, die schwere gelbe
Signalrakete und eine Alufoliendecke. Es ist so heiß und spröde trocken.
Aber es ist noch erträglich, solange ich ohne Bewegung im Schatten sitze.
Leichter Sand überzieht alles. Die Wasserflaschen, die Haare, die Haut.
Noch einmal gibt es Warteschlangen und gute
französische Küche für uns: die Küche ist überraschend vielfältig,
hier draußen. Wir sitzen auf Matten voller Flugsand, im Schneidersitz an
kleinen Tischen in den weißen Zelten und entpacken das Essen was uns
gegeben wird. Unsere Reisetaschen haben wir nachmittags abgegeben. Und
alles was wir nicht zum Wüstenlauf brauchen ging damit fort. Morgen früh
werden wir aufwachen, nichts an und mit uns als das was wir die nächsten
sieben Tage haben werden. Für mich meine tausend Mal überlegte
Ausrüstung im gut getesteten Rucksack. Gezählte und gewogene Kalorien
nach Vorschrift, Kleidung und meine leichten Mokassins für abends nach
dem Laufen. Ich blättere das Road Book durch in dem jede Etappe genau
beschrieben ist, wie viel Geröllpiste, wann die Sanddünen kommen, welcher
Himmelsrichtung wir folgen müssen. Ob mein kleiner Kompass ausreicht? Ich
beobachte die anderen Gesichter im Zelt. Was sie wohl denken? Michael,
Markus, Axel und Inge, die wie ich hier erstmals mit dabei sind. Mit
großen Ohren nehme ich alles auf was die Erfahrenen zur
Streckenbeschreibung kommentieren. Dünen mögen schön klingen, sind aber
ermüdend. Vielleicht könne man darum herum laufen? Mulmig ist mir schon
zumute. Doch bald dominiert die Vorfreude in mir.....
Fortsetzung folgt...
E-Mail des Autors Erwin Bittel: Erwin.Bittel@t-online.de
Copyright des Berichtes:
Team Bittel
|